Traditionelles Jahrestreffen der VdM-Dieselringträger

Autor: Michael Sommer (VdM), Erschienen: Motorjournalist (VdM)

Foto: Dekra / Winterthur

Nach zwei Jahren Corona-bedingter Unterbrechung trafen sich die Träger des VdM-Dieselrings Mitte Dezember in Berlin wieder zum Erfahrungsaustausch. Jörg Ahlgrimm, Dieselringträger des Jahres 2021, und Monika Schwill, die in diesem Jahr mit dem renommierten Verkehrssicherheitspreis des VdM ausgezeichnet wurde, berichteten aus ihrer Arbeit.

Jörg Ahlgrimm schlug einen Bogen von den Anfängen der Unfallforschung, die er 1978 bei Dekra gegründet hatte, bis zu aktuellen Erkenntnissen aus Crashversuchen und Unfallanalyse. Ende der 1970er Jahre gab es für die Unfallsachverständigen wenig verlässliche Grundlagen für die Rekonstruktion des Unfallgeschehens. Im Prinzip gab es drei Quellen: Erstens die polizeiliche Unfallaufnahme, die aber eher statistisch und nicht ausreichend war. Zudem verfügten die Polizeibeamten kaum über die nötige Qualifikation, einen Unfall im Detail zu bewerten. Zweite Quelle waren die Ergebnisse der Unfallsachverständigen selbst. Die aber waren nicht öffentlich und für die Kollegen kaum zugänglich. Hinzu kamen drittens bereits In-Depth-Untersuchungen, die einzelne Unfälle sehr genau untersuchten. Jörg Ahlgrimm und sein Team bei Dekra machten sich daran, Rekonstruktionsverfahren zu erarbeiten und das reale Unfallgeschehen nachzubilden, um Gesetzmäßigkeiten zu finden und so die Arbeit der Unfallsachverständigen zu verbessern.

Unter anderem untersuchte die Dekra-Unfallforschung technische Mängel als Unfallursache und veröffentlichte die Ergebnisse in regelmäßigen Fachschriften. Schäden an Reifen und Bremsen stellten sich dabei als wichtige Unfallursache heraus, die oft auf Nachlässigkeit der Fahrzeughalter zurückzuführen waren. Für die Prüforganisation Dekra ein wichtiges Argument für die Notwendigkeit regelmäßiger technischer Fahrzeugprüfungen in der Hauptuntersuchung.

Spektakuläre Crashtests sensibilisieren die Öffentlichkeit für Unfallrisiken

Da jedoch die Sachverständigen keine wirkliche Bezahlung, sondern nur eine vom Gericht festgelegte Vergütung erhielten, brachte die Arbeit der rund 400 Unfallsachverständigen bei Dekra keinen wirtschaftlichen Deckungsbeitrag. Deshalb wurde die Unfallanalyse bei Dekra immer wieder auch erfolgreich für die Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt und trug so zum positiven Image des Unternehmens bei, berichtete Jörg Ahlgrimm. Als Beispiel nannte er die starren Frontschutzbügel, die sogenannten „Bull Bars“, die eine Zeitlang bei SUV-Fahrern beliebt waren. Crashversuche mit Dummys zeigten, wie gefährlich die Frontschutzbügel für Fußgänger, vor allem für Kinder waren. Nicht zuletzt die Berichte über diese Crashtests führten zu einem Verbot der „Bull Bars“ an Pkw.

Immer wieder sensibilisierten Ahlgrimm und sein Team mit spektakulären Crashversuchen, die zum Teil zusammen mit dem Schweizer Versicher Winterthur, später Axa durchgeführt wurden, die Öffentlichkeit für Unfallrisiken. So wurden zum Beispiel „Dooring-Unfälle“ simuliert, bei denen ein Radfahrer in eine plötzlich geöffnete Autotür kracht und sich dabei durch den Anprall und den anschließenden Sturz heftige Verletzungen zuziehen kann. Auch Crashversuche zu Serienunfällen, mit Wohnwagen, Unfällen in Baustellenüberleitungen oder Unfällen zwischen Pkw und Motorrad brachten immer wieder Erkenntnisse für die Unfallforschung und informierten gleichzeitig die Öffentlichkeit.

Welch verheerende Wirkung der Anprall eines Pkw an einen Baum hat, zeigte Algrimm anhand von Fotos realer Baumunfälle. Beim seitlichen Anprall mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h hat das Fahrzeug dem starren Hindernis nichts entgegenzusetzen und wird komplett zerstört. Die Insassen haben keine Überlebenschancen. „Bäume gehören eigentlich nicht neben die Straße“, sagte Ahlgrimm. Deshalb sollte etwa bei der Verbreiterung einer Allee in keinem Fall wieder neue Bäume direkt neben der Straße gepflanzt werden. Selbstverständlich, sagte auch Unfallforscher Ahlgrimm, dürfen die über Jahrzehnte gewachsenen Bäume einer malerischen Allee nicht ohne weiteres entfernt werden. Dann aber sollte mit anderen Maßnahmen, wie Schaumstoffummantelungen um die Bäume und Geschwindigkeitsbegrenzungen für mehr Verkehrssicherheit gesorgt werden.

Nach fast vier Jahrzehnten in der Dekra-Unfallforschung engagiert sich Jörg Ahlgrimm heute als Vorstand des Präsidialrates in der Europäischen Vereinigung für Unfallforschung und Unfallanalyse (EVU), in dem rund 1.200 Sachverständige aus 35 Ländern aktuelle Erkenntnisse der Unfallforschung zusammentragen und diskutieren.

MEHRSi im engagierten Einsatz für mehr Sicherheit für Motorradfahrer

Die aktuelle Dieselringträgerin Monika Schwill, Gründerin und treibende Kraft hinter der Organisation MEHRSi, begann ihren Vortrag mit realen Unfallszenen, die Motoradfahrer mit ihren Helmkameras aufgenommen hatten. Eindrucksvoll zeigten die Aufnahmen, wie der von MEHRSi initiierte Unterfahrschutz unter Leitplanken Mensch und Maschine bei einem Sturz in einer Kurve ablenkt und so schwere Verletzungen verhindert. „Dank des Unterfahrschutzes kommen die Motorradfahrer bei Stürzen mit Prellungen und einem beschädigten Ego davon“, kommentierte Monika Schwill die Videosequenzen. Vor allem an den scharfkantigen Stützen der Leitplanken können sich die Motorradfahrer lebensgefährliche Verletzungen zuziehen, wenn sie unter die Leitplanke rutschen. Denn die Stützen wirken wie Rasierklingen. Meist handelt es sich bei Motorradstürzen in einer Kurve um einen Fahrfehler und um Selbstüberschätzung. „Aber müssen Motorradfahrer wegen eines Fahrfehlers sterben?“, fragte Monika Schwill. Auch Autofahrer machen Fehler, die aber sind deutlich besser geschützt und so bleibt es hier meist beim Blechschaden.

Monika Schwill vor einer Leitplanke mit Unterfahrschutz, Foto: MEHRSi

In den 80er Jahren wurde versucht, die Verletzungsgefahr an den Leitplankenstützen mit Schaumstoffummantelungen zu verringern. Die aber waren nur bis 32 km/h wirkungsvoll, berichtete Monika Schwill. Aus Frankreich hörte sie schließlich von einem wirksamen Unterfahrschutz, für dessen Einsatz in Deutschland sie sich seitdem mit ihrer Organisation MEHRSi engagiert. Wichtig sei, dass der Unterfahrschutz freischwebend unter der Leitplanke befestigt werde, um die Aufprallenergie zu absorbieren. Der erste so konstruierte Unterfahrschutz in Deutschland wurde schließlich 2004 medienwirksam in der Eifel montiert. „Das System hatte in Deutschland zunächst noch keine Zulassung, obwohl es in Frankreich von einem deutschen Hersteller montiert wurde“, erklärte Monika Schwill. Im Gespräch mit Landes- und Kreisbehörden, mit Straßenmeistereien und Sachverständigen trommelt sie seitdem für die Installation des Unterfahrschutzes in gefährlichen Kurven. Wichtig sei die Sicherheitsmaßnahme in erster Linie außerorts, in den Kurven ländlicher Straßen und vor allem da, wo bereits Unfallschwerpunkte definiert wurden. Dabei sei der Unterfahrschutz nicht nur für Motoradfahrer wichtig. Auch für sportliche Radfahrer oder die vielen E-Bike-Fahrer sind die messerscharfen Leitplankenstützen eine Gefahr.

Mit dem verbesserten Leitplankentyp Eco-Safe kam 2015 eine neue Herausforderung auf MEHRSi zu. Mit ihren zum Teil noch engeren Stützpfostenabständen war die neue Leitplanke eher noch gefährlicher für Motoradfahrer, berichtete Monika Schwill. Zudem passte das bisherige Unterfahrschutzsystem nicht unter die neue Leitplanke. Inzwischen aber gibt es auch hier eine Lösung mit einem angepassten, neu entwickelten Unterfahrschutz für die Eco-Safe-Leitplanke.

Rund 1.000 Kurven in Deutschland sind bereits in Zusammenarbeit mit MEHRSI mit einem Unterfahrschutz ausgestattet, schätzt Monika Schwill. Die Kosten für die Sicherheitsmaßnahme halten sich in Grenzen: Ein Meter Unterfahrschutz kostet etwa 30 Euro. Hinzu kommen die Montagekosten. Allerdings müsse der Unterfahrschutz korrekt montiert werden, mit den richtigen Abständen zum Boden und zur Leitplanke. Und da gab es erneut ein Problem. Bei Unterbrechungen der Leitplanke, etwa durch einmündende Feldwege, wird die Leitplanke abgesenkt und in den Boden geführt. Der übliche Unterfahrschutz passt da nicht darunter. „In Hessen haben wir auch dazu eine Lösung gefunden mit einem Unterfahrschutz unter der Leitplankenabsenkung“, so Monika Schwill. Und auch diese Lösung ist inzwischen offiziell genehmigt.

So bleibt die sympathische Frontfrau von MEHRSi weiter am Ball und freut sich darauf, 2023 das 20-jährige Jubiläum ihrer Organisation feiern zu können.

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